Malpique: Wo sich die Seele in Schwarzen Korallen verliert
Ein Freund hat mir mal geschrieben, er habe ja irgendwann am Außenriff von Malpique seine Seele verloren und suche sie seitdem. Immer noch und immer wieder, es ziehe ihn da einfach magisch in die Tiefe.
Arg lyrisch, aber eben doch passend: Wenige Orte auf der Welt haben auf mich eine derartige Anziehungskraft. In dieser einen tiefen Spalte, in der sich die Barracudas verstecken – ich glaube, da ist auch ein Teil meiner Seele hängengeblieben.
Der Turm von Malpique, von unten. Mysterium, Ziel, Wegweiser.
Wenn man Malpique kennenlernt….
… dann sieht man wahrscheinlich als erstes mal die Kreuze, den Canyon, vielleicht die Wand, und wenn man wirklich gut taucht den Torbogen. Schön, faszinierend – und der Tauchgang durchs Blau zum Turm, für normale Sporttaucher:innen machbar, der kann einem auch schon die Schuhe ausziehen. Für die technischen Taucher:innen beginnt hier ein weiterer Tauchplatz.
Da, wo die Sporttauchtiefe endet, endet auch der Turm, dieses von Schwarzen Korallen bewachsene Lavamonstrum. Von der einen Seite sieht er wie ein Herz aus, von oben wie eine Nadel, als Schatten im Blau wie ein vager Wegweiser. Als solchen lässt man ihn zur Seite, wenn man das Außenriff ansteuert – das wirklich äußere, noch weit unter dem Torbogen. Und hier landet man an einer Wand, deren Ende nicht zu erkennen ist. 50m, 60, – der Blick wandert immer tiefer, ins endlose Blau. In einer Felsspalte steht ein Schwarm Barracudas, bewacht von einer großen Makrele, manchmal jagen sie hin und her oder schwimmen im Kreis. Lange dauert es nicht, dann muss man schon wieder hoch.
Das Blau nach unten ist in Wirklichkeit gar nicht endlos. Bei 90m geht es in Sand über. Von dort unten ist der Blick an der Steilwand hoch unglaublich: Über 30m liegt der Wald aus Schwarzen Korallen senkrecht an der Felswand. Aber bleiben kann man nicht, es sind nur wenige Minuten, die wir in der Tiefe zu Gast sein dürfen.
Aber wie kommt man so tief?
Damals, in einer Zeit, als Taucher noch starke Männer mit Bärten waren, als Eltern mit ihren Kindern im Auto rauchten und der Sarotti – Mohr die Schokolade zierte, also damals, da sind natürlich auch schon Leute da raus getaucht, Mit einer einzigen Flasche auf dem Rücken, und ohne Computer, und das ging schon auch gut. Meistens zumindest.
Heute hat sich vieles geändert, und wirklich oft zum Guten. Auch das Sicherheitsdenken beim Tauchen: Wir wollen sicher sein, dass wir wieder auftauchen, und zwar auch dann, wenn etwas schiefgeht oder wir einen Fehler machen. Deshalb macht man das heute nicht mehr einfach so, sondern tastet sich langsam vor. Und jeder, wirklich jeder einzelne Tachgang dieses Vortastens ist es für sich selbst schon wert gemacht zu werden.
“Nur ein bisschen Deko”
Die alten Hasen behaupten gerne, ein bisschen Deko gehöre doch zur Grundausbildung, und das solle man doch einfach so machen. Sie haben ja eh gelernt, wie man Dekotauchgänge “berechnet”. Oft meinen sie damit aber leider gar nicht mehr, als dass derjenige eine Dekotabelle ablesen kann.
Andere hingegen, die Götter des Tek, sind überzeugt davon, ab 30m brauche es Trimix, eine redundante Gasversorgung, einen langen Schlauch und zwei Messer. Alles immer bei allen gleich konfiguriert, natürlich.
Ich bin mir ja recht sicher, dass man beides und vieles dazwischen machen kann: den Turm mal mit Monoflasche, mal mit Trimix betauchen, mal mit Monoflasche ohne Oktopus und mal mit D12 und drei Stages ins Wasser zu gehen, oder auch mit Rebreather, mehreren Bailouts und Scooter – kann man schon alles machen.
Was man aber klären sollte, wenn man Dekotauchgänge unternehmen möchte:
- Kann ich Probleme unter Wasser bewältigen, ohne aufzutauchen und ohne grob meine Tarierung zu verlieren?
- Habe ich genug Atemgas dabei, um den Tauchgang zu machen und mögliche Probleme in den Griff zu kriegen?
- Ein wie hohes Risiko einer Dekokrankheit nehme ich in Kauf, und wie schätze ich das Risiko ein?
Ein paar Minuten Deko sind noch kein technischer Tauchgang…
Auch heute muss man nicht gleich komplett zum Tekkie werden, nur um mal ein paar Miuten dranzuhängen. Es gibt bei den verschiedenen Verbänden Ausbildungen dafür, dekopflichtige Tauchgänge zu machen und ein Dekogas zu benutzen. Das bringt einen schon mal einen ganzen Schritt weiter, man muss aber nicht gleich komplett die Ausrüstung umstellen. Bei SSI ist das der “Decompression Diver”, andere Verbände haben ähnliches.
Irgendwo hat das aber eine Grenze, die üblicherweise bei Tauchgängen über 40 Meter gesetzt wird. Grund dafür: Der Atemgasvorrat und die Redundanz.
Tiefer wollen
Wenn die 40m nicht reichen, muss irgendwann vor allem mehr Gas her. Eine Doppelflasche auf den Rücken, oder eine an jede Seite – einfach so, dass es einer Rock Bottom Berechnung standhält. Und mit Gasen muss man sich dann auskennen: Sauerstoff kann garstig werden, und den Stickstoff muss man halt auch mögen.
Mit Doppelgerät und zwei Stages kommt man durchaus weit – aber irgendwann, vor allem wenn Heliumpreise ins Spiel kommen, erreicht auch das wieder eine Grenze. Dann denkt man darüber nach, das selbe Gas einfach immer wieder zu atmen – der Rebreather sitzt plötzlich im Hinterkopf und grinst einen fröhlich an.
Klar in der Birne: Trimix
Es ist schön, wirklich wunderschön da unten. Aber so richtig erinnert man sich bei tiefen Tauchgängen mit Luft – den vielleicht zu tiefen – normalerweise gar nicht, was man da gesehen hat. Ein bisschen grau war es auf jeden Fall….
Das sind ganz klare Effekte des Tiefenrauschs. Sobald man mit Trimix in der selben Ecke ist, kommen die Farben ins Spiel: Man sieht jetzt, wie die Spalte weitergeht, sieht das Rot und das Grün und die Konturen wieder klar werden…. Wer unten erst wechselt, kann erfahren, wie sich dieser Schleier löst. So ähnlich, wie man das auch bei tiefen Tauchgängen mit Luft auf dem Weg nach oben fühlen kann.
Natülich ist das Zeug teuer, entsetzlich aufwändig, und das nur für ein paar Minuten Grundzeit – aber, doch, echt: Es lohnt sich.
Was man so in Kauf nimmt
Alles in allem ist es ein langer Weg is zum unteren Ende des Außenriffs. Ein Fläschchen auf den Rücken, und ab ins Wasser? So einfach ist es nicht mehr.
Tauchgänge mit Gasen, die man an der Oberfläche nicht atmen kann, brauchen viel Planung und viel Vorbereitung. Zuerst einmal muss ein Tauchplan her: Wo wollen wir hin, wie lange, welche Gase brauchen wir dafür? Die müssen dann gemischt werden, die Ausrüstung muss evtl. noch mal angepasst werden, dann erst geht es los. Also, nachdem man es geschafft hat, mit der ganzen Ausrüstung auch tatsächlich im Wasser zu sein. Und du weißt, dass du auch wieder raus musst….
Aber dann schaust du von unten hoch. Direkt unter dir der Sand auf 90m, über dir diese Wand, die du immer nur von oben erahnt hast. Senkrecht nach oben, tauchst du wieder auf, der Sonne entgegen, die durch die Tannenbäume scheint. Auf 60m fühlst du dich wieder zuhause, flach, fast schon oben. Und erinnerst dich daran, wie tief sich das noch zwei Wochen vorher, mit Luft, angefühlt hat.
Da, in diesem Moment, musste ich dann doch mal über Rebreather nachdenken. Inzwischen habe ich die Gegend und einige andere schon mit meinem JJ sehen dürfen, und es war die beste Entscheidung der letzten Jahre. Aber das wird dann eine neue Geschichte.