Grenzen erweitern – länger tauchen mit Nitrox
Nullzeitgrenzen und Aufsättigung mit Luft und Nitrox
Betrachtet man die Nullzeittabellen für Luft und verschiedene Nitroxgemische ist deutlich sichtbar, dass man mit Nitrox einfach länger tauchen kann – vorausgesetzt die eigene Atmung lässt es zu. Nichtsdestotrotz sättigt man trotzdem mit Stickstoff auf, es dauert halt nur etwas länger. Wenn man die neuen Grenzen des Nitrox ausnutzt, ist der Tauchgang dadurch länger, nicht aber sicherer geworden.
Genau das werden wir uns hier einmal Schritt für Schritt anschauen.
Wir möchten uns hier einen Tauchgang auf 30m anschauen und vergleichen, wie sich der Sicherheitsvorteil darstellt, wenn man statt Luft bei dem selben Tauchgang ein EAN32 benutzt – und auch, wie weit man den Tauchgang dadurch verlängern kann.
Auf dem ersten Bild seht ihr ein typisches Tauchgangsprofil:
Man erreicht innerhalb von drei Minuten die 30m Maximaltiefe und bleibt dort bis zur Nullzeitgrenze. Laut Tabelle sind das auf 30m 20 Minuten, die planen wir einfach mal. Wir gehen langsam hoch, nehmen uns 5 Minuten Zeit, bis wir wieder auf 10m sind. Dort bleiben wir weitere 10 Minuten und gehen dann mit Sicherheitsstopp zurück an die Oberfläche.
Unter dem Profil sieht man die Heatmap für diesen Tauchgang. Daran lässt sich ablesen, welche Gewebe gerade sättigen, welche entsättigen, und wie stark übersättigt sie sind. Die oberste Linie entspricht dem schnellsten Gewebe, die unterste dem langsamsten. Wichtig ist hier der Moment, in dem die Oberfläche wieder erreicht wird. In diesem Beispiel sind die mittleren Gewebe hier an ihrer Sättigungsgrenze (je roter umso grenzwertiger).
Das folgende Schema zeigt exakt den selben Tauchgang, jetzt aber mit einem EAN32. Wir schauen auf die Dekompressionsphase, das Auftauchen, und vor allem darauf, wie übersättigt man an der Oberfläche ankommt. Selbst die mittleren Gewebe sind weit vom orangenen oder roten Bereich entfernt, es werden keine 50% der M-Werte erreicht,
Wie man hier klar sehen kann, kommt man tatsächlich deutlich weniger übersättigt aus dem Wasser, hätte so also seinen Tauchgang sicherer gemacht.
Anders wird die Sache, wenn man das Nitrox nutzt, um die Nullzeit zu verlängern. Zwar kann man in diesem Plan 32 statt 20 Minuten auf 30m bleiben – dafür kommt man aber dann genauso gesättigt aus dem Wasser wie bei dem kürzeren Tauchgang mit Luft. Dieser Tauchgang ist so ganz genauso “riskant” wie der mit Luft.
Nitrox ist eine tolle Sache, klar. Weniger Stickstoff aufzunehmen ist so gut, dass man dafür gerne ein wenig oxidativen Stress in Kauf nimmt. Aber es macht eben nicht per se den Tauchgang sicherer: Wenn man damit die Grenzen erweitert, kommt man genauso gesättigt aus dem Wasser, und hat sich zudem noch höheren Sauerstoffdrücken ausgesetzt. Ein bisschen Abstand zu dem, was man den Modellen und Computern nach darf, könnte tatsächlich eine gute Idee sein.
Solche Profile kannst du auch selbst erstellen, und zwar mit Subsurface – Open Source, gratis, zum Planen nur auf dem PC nutzbar, großartig: Subsurface Dive Planner
Gase und Zeiten optimieren: Was man so alles ausrechnen kann
Natürlich finden wir für alles Tabellen und technische Hilfsmittel. Der Analyzer zeigt die MOD einfach an, EADs können wir aus einer Tabelle ablesen, Apps berechnen uns den Best Mix… Warum also noch selber rechnen?
Vielleicht einfach nur, weil wir es können. Vielleicht aber auch, weil es gut ist, zumindest grob überschlagen zu können, was stimmen kann und was nicht, und wo es gefährlich wird. Die App ist nicht dabei, wenn du unter Wasser entscheidest, ob du jetzt doch noch 2m tiefer riskierst oder echt nicht.
In den nächsten Videos werden wir euch Schritt für Schritt zeigen, wie ihr eure MOD, den Best Mix, und die EAD ausrechnen könnt. Unter jedem Video findet ihr ein paar Werte, um es noch mal selbst nachzurechnen.
Daltons Diamond – oder: Wie soll ich mir die ganzen Formeln merken?
Wem geht es so ähnlich wie mir: Zu viele Zeichen auf einmal bleiben einfach nicht im Hirn kleben. Braucht man auch gar nicht, wenn man sich den einen wichtigen Zusammenhang merkt…
Es geht ja immer um drei Dinge: Der Umgebungsdruck – also die Tiefe, in der man gerade ist. Dann der Sauerstoffanteil im Gas, wie viel Prozent hat die Mischung. Und natürlich geht es um den Partialdruck des Sauerstoffs.
Diese drei Einheiten hängen ja aneinander. Was man sich wirklich einfach merken kann ist die Tatsache, dass der pO2 mit steigendem Druck zunimmt, und zwar proportional zum Druck. P, der Druck, mal fO2, den Sauerstoffanteil in einem Gas, ergibt pO2, den Partialdruck des Sauerstoffs.
P x fO2 = pO2
So weit, so einfach, oder? Je nachdem, was man sucht, kann man zwei der Platzhalter mit Werten füllen und den dritten ausrechnen.
Zum merken kann man „Daltons Diamond“ benutzen – und weil es nicht nur um Sauerstoff geht, sondern um beliebige Gase, nehmen wir da einfach g für Gas statt O2.
MOD ausrechnen
Wie tief darf ich mit meiner Mischung? Als Maximum Operating Depth (MOD) bezeichnet man die maximale Einsatztiefe eines Gases, in unserem Fall also die Tiefe, auf der wir einen Sauerstoffpartialdruck (pO2) von 1,4 bar erreichen.
In diesem Fall haben wir das Gas schon, kennen also den Sauerstoffanteil. Nehmen wir mal an, wir haben 32% gemessen – das entspricht einem Anteil von 0,32. Und wir kennen den pO2, eben die 1,4 bar, die wir nicht überschreiten wollen. Wenn wir das schon mal einsetzen, sieht unser Diamond so aus:
Da müssen wir nur den gesuchten Wert, P, „rausziehen“ und kommen – wie in der Rechnung zu sehen – auf 4,37 bar.
So weit, so einfach. 4,37 bar Druck herrschen bei 33,7m, so in etwa (alle 10m ein bar, und eins das schon an der Oberfläche da ist…). Das wäre dann, zur sicheren Seite abgerundet, eine MOD von 33m.
Alles klar? Sobald du verstanden hast, wie es geht, probiere es doch mal selbst:
Was ist die MOD von EAN31, EAN 29 und EAN37?
Lösung
pO2 | 1,4 bar/ pO2 | (x-1)*10 | MOD |
0,31 | 4,52 | 35,2 | 35m |
0,29 | 4,83 | 38,3 | 38m |
0,37 | 3,78 | 27,8 | 28m |
Best Mix auswählen
Du weißt, wie tief du tauchen möchtest, und hast die freie Wahl, welchen Mix du nutzen willst. Meistens wollen wir dann einen Sauerstoffgehalt, der uns die längst mögliche Nullzeit ermöglicht, aber trotzdem sicher ist – also den, bei dem wir am tiefsten Punkt des geplanten Tauchgangs 1,4 bar pO2 erreichen. Wie kannst man ausrechnen, welche Mischung dafür ideal ist?
Dafür kennen wir die Tiefe, nehmen wir mal an, wir wollen zu einem Wrack, dessen tiefster Punkt bei 30m liegt. Auf 30m liegt der Druck bei 4 bar – so weit, so einfach. Auch jetzt setzen wir erst mal ein, was wir kennen:
Und auch hier müssen wir einfach nur den fehlenden Wert isolieren.
Womit wir bei einem EAN35, einer Mischung mit 35% Sauerstoff, als Best Mix wären.
Wenn du es verstanden hast, bist du wieder dran:
Was ist der Best Mix für 28m, 32m und 40m?
Lösung
m Tiefe | P = ÷10 + 1 | 1,4 bar ÷ P | Best Mix |
28 | 3,8 | 0,368 | EAN36 |
32 | 4,2 | 0,333 | EAN33 |
40 | 5 | 0,28 | EAN28 |
EAD – Equivalent Air Depth
Die Äquivalente Lufttiefe bezeichnet die Tiefe, auf der Luft denselben Stickstoffpartialdruck erreicht, wie eine bestimmte Nitroxmischung auf einer bestimmten Tiefe. Wir werden das eigentlich nie wirklich ausrechnen, da wir auch direkt mit Nitrox planen können – aber damals, als die Tabellen nur für Luft ausgeliefert wurden, da hat man diese Rechnung benutzt, um den Tauchgang zu planen. Man tut dann einfach so, als sei man entsprechend flacher…. Heut geht es vor allem darum, anschaulich zu sehen, was man durch die Nitroxmischung eigentlich gewinnt. Dafür nehmen wir als Beispiel mal eine sehr sauerstoffreiche Mischung, ein EAN40, und tauchen damit auf 25m. Die Frage ist nun: In welcher Tiefe würde ich mit Luft genauso viel Stickstoff aufnehmen? Wie viel länger kann ich also tauchen?
Hier wird es ein ganz klein bisschen komplizierter, weil wir zwei Gase vergleichen, den Diamanten also zweimal ausfüllen müssen. Und dann gibt es da eine kleine Falle: Wir vergleichen hier den Stickstoff, nicht den Sauerstoff.
Deshalb schauen wir das Beispiel mal Schritt für Schritt an.
Ich habe ein EAN40 auf 25m. Der Stickstoffanteil sind 60%, mein fN2 also 0,6. Um den pN2 auf 25m herauszufinden, nehmen wir wieder den Diamond.
Damit komme ich auf den Stickstoffpartialdruck meines EAN40 auf 25m Tiefe:
Wann hätte mit Luft der Stickstoff einen Partialdruck von 2,1 bar? Luft hat nur 21% Sauerstoff, dafür aber 79% Stickstoff, d.h. Die fN2 beträgt 0,79.
Einen Druck von 2,68 bar haben wir bei 17m. Das bedeutet: Wenn wir mit EAN40 auf 25m tauchen, ist das so, als wären wir mit Luft auf 17m. Entsprechend länger kann man tauchen – wie viel das ausmachst, darf jetzt jeder selbst nachschauen.
Auch das darfst du nach dem Beispiel noch mal selbst ausrechnen:
Was ist die EAD für ein EAN32 auf 30m, für ein EAN36 auf 27m, und für ein EAN29 auf 35m?
Lösung
Tiefe | P | fO2 | fN2 | PxfN2 | EAD |
30 | 4 | 0,32 | 0,68 | 3,44 Bar | 24m |
27 | 3,7 | 0,36 | 0,64 | 3 bar | 20m |
35 | 4,5 | 0,29 | 0,71 | 4,04 bar | 30m |