In jedem Nitroxkurs lernt man als eins der allerwichtigsten Dinge, dass man bei hohen Sauerstoff-Partialdrücken eine Sauerstoffvergiftung bekommen kann. Die kann zu Krämpfen führen, und diese enden unter Wasser meist tödlich.

Das stimmt zwar, ganz ohne Zweifel, und dieses Risiko wollen wir definitiv nicht eingehen. Aber: Was muss eigentlich passieren, damit man wirklich nah an die Grenzen kommt? Und welche Nebenwirkungen hat die Angst vor einer Sauerstoffvergiftung bei Taucher:innen?

Ab wann krampft man?

Die am meisten gefürchtete der „OxTox-Hits“, der Sauerstoffvergiftung, ist die CNS-Vergiftung. Dabei sorgt der zu hohe pO2 für Ausfälle im zentralen Nervensystem wie Seh- und Hörstörungen, Schwindel, einem metallischen Geschmack im Mund, Wahrnehmungsstörungen – und schließlich zu Krämpfen.
Ein Krampf unter Wasser ist eine sehr ernste Angelegenheit: Die Atmung ist nicht mehr kontrollierbar, der ganze Körper zuckt, oder bewegt sich gar nicht mehr – so ein Zustand ist schon an Land mehr als nur unangenehm, unter Wasser endet er wahrscheinlich tödlich.

Deshalb wollen wie diese Vergiftung unter Wasser auf jeden Fall vermeiden. Wir bleiben deshalb von allen empfohlenen Grenzen weit genug weg – am besten so weit, wie all unsere Tauchverbände empfehlen: Für normale Tauchgänge mit Nitrox gelten 1,4 bar pO2 als sicher, bei einer längeren Exposition wie mit dem Rebreather bleibt man mit 1,3 bar oder weniger eher unter dieser Grenze.

Im Trockenen, z.B. bei Druckkammerbehandlungen, sehen die Werte ganz anders aus. Bei 18m reinem Sauerstoff atmen? Kein Problem, das wird regelmäßig gemacht. Die Krampanfälle, zu denen es dabei bisweilen kommt, werden für den Behandlungserfolg in Kauf genommen. Aber dabei sitzt man ja im Trockenen, wo die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer ist als in Bewegung unter Wasser – und das Resultat ist nicht weiter dramatisch.

Was man daran aber schon ahnen kann: Die Grenzwerte sind leider beim besten Willen nicht empirisch fundiert, und die „CNS-Clock“ steht immer wieder in der Kritik. Weil die Mechanismen, wie eine Sauerstoffvergiftung zu Symptomen führt, nicht ganz verstanden sind, und weil diese Reaktionen so chaotisch und unvorhersehbar auftreten, ist die Bestimmung von Grenzen eher Kaffeesatzleserei als Wissenschaft.

Dennoch haben sich genau diese Grenzen ja nun über Jahre bewährt. Innerhalb dieser Grenzen kannst du dir durchaus sicher sein, dass du keine Sauerstoffvergiftung erleben wirst. Die NOAA – Grenzwerte, bekannt auch als eben jene „CNS-Clock“, werden jetzt seit Jahrzehnten erfolgreich verwendet und scheinen dafür zu sorgen, dass Unfälle mit Sauerstoffvergiftungen extrem selten geworden sind.
Innerhalb der Grenzen darf man sich also sicher fühlen, aber umgekehrt gilt das nicht: Wenn du sie überschreitest, wirst du nicht sofort vom Blitz bzw. einer Sauerstoffvergiftung getroffen. Es ist nur so, dass das Risiko größer wird, und wir das im Normalfall nicht akzeptieren wollen. Es ist ein bisschen wie ei den M-Werten – irgendwo muss man eine Linie ziehen, aber die stellt keine harte Grenze da, sondern wird in einen schwammigen Bereich eines steigenden Risikos dann eben irgendwo gesetzt. 

Das große Problem bei der CNS-Vergiftung ist, dass sie nicht vorhersehbar ist. Meistens treten unter Wasser die Symptome sehr schnell auf – bzw. wir wissen nicht genau, ob vorher etwas zu spüren war, weil das Opfer nicht mehr berichten kann.

Aus Druckkammerexperimenten ist bekannt, welche Symptome vor den Krämpfen auftreten. Dabei wird auch heute noch auf Experimente zurückgegriffen, die 1947 veröffentlicht wurden, in denen Menschen so lange mit Sauerstoff in einer Druckkammer auf über 3 bar waren, bis sich die ersten Symptome bemerkbar machten. Dabei kam es auch zu einigen Krampfanfällen, die Versuche waren also einigermaßen gefährlich. Deshalb benutzen wir heute noch diese sehr alten Ergebnisse: Es gibt keinen Grund, Experimente zu wiederholen, bei denen Menschen zu Schaden kommen, und schon gar nicht wenn noch nicht einmal neue Ergebnisse zu erwarten sind.

Aus dieser Quelle kommt eine Grafik zur CNS-Toxizität, die sehr klar zeigt, wie chaotisch ihr Auftreten ist. Was hier deutlich wird: Bei ein und derselben Person können Symptome einer Sauerstoffvergiftung nach extrem unterschiedlich langen Zeiten auftreten. Weder ist es trainierbar, noch in irgendeiner Weise vorhersehbar, wie lange es an einem bestimmten Tag dauern wird.

Was bedeutet das für uns? Weil unklar ist, wann die Symptome genau einsetzen, ist ein sehr großer Sicherheitsabstand zu dem Bereich, in dem das überhaupt passieren kann, angemessen. Zum anderen sieht man aber auch, dass die Symptome nicht gleich bei den ersten Atemzügen einsetzen. Das ist auch gewissermaßen logisch: Der Sauerstoff muss erst einmal in den Körper und anfangen, unerwünschte Dinge zu tun, und das braucht eben ein paar Minuten.

 

Zum Nachlesen: DONALD: Oxygen poisoning in man. 1947

 

Sind OTUs ein Ding?

Vorab: Nein.
Nicht für uns zumindest, wenn wir ein paar Tauchgänge am Tag innerhalb der Nullzeitgrenzen mit Nitrox machen. Bei Behandlungen in der Druckkammer, und auch bei sehr langen Rebreather-Tauchgängen, kann das anders aussehen.

OTUs, Oxygen Toxicity Units, sind eine Einheit, mit der man bestimmen kann, wie lange jemand Sauerstoff unter einem höheren Druck als normal atmen kann, ohne dass die Lunge beschädigt wird. Dazu gibt es eine recht solide Datenbasis, und wenn man gerne weiter eine funktionierende Lunge haben möchte, ist es klug, sich an die empfohlenen Maximalwerte zu halten. Die liegen mit 300 OTUs am Tag bei mehreren Tagen hintereinander, oder sogar 850 am Tag für einzelne Tage, immer sehr hoch.

Beim Sporttauchen haben wir daher erst einmal eine andre Grenze: Die CNS-Clock. Wenn wir uns an die halten, können uns die OTUs egal sein – wie man hier in der Tabelle auch eindeutig sehen kann.

Ab wann wird der pO2 denn zu einem Problem? So, alles in allem?

Man könnte jetzt auf die Idee kommen, dass unsere Grenzwerte doch arg konservativ gewählt sind. Wenn Menschen auch mit einem pO2 von 3 bar noch lange keine Symptome spüren, warum dann unsere engen Grenzen?

Ganz einfach: Die Grenzen waren früher etwas weiter, bei 1,6 oder sogar 1,8 bar pO2. Mit der Zeit hat sich aber herausgestellt, dass es in diesem Bereich ab und zu eben doch zu einer Sauerstoffvergiftung kommt, besonders dann, wenn zu dem hohen pO2 noch andere Dinge wie Anstrengung dazukommen. Und dass man sich mal anstrengen muss, kann man beim Tauchen eben nicht ausschließen.

Unfälle, in denen eine Sauerstoffvergiftung eine Rolle spielt, sind inzwischen sehr selten – und die wenigen, die es gibt, sind erstaunlich gut zu erklären. Da gab es den Rebreather-Taucher, der seinen pO2 einfach auf 2 bar hochgestellt hat – was sehr lange gut ging, lang genug, um sich sicher zu fühlen und das immer so zu machen, weil ja viel weniger Deko…. Bis es dann halt nicht mehr gut ging. Weil es nicht vorhersehbar ist, nach wie viel Zeit es genau passiert, bei so einem pO2 aber irgendwann passieren wird. Und dann kommt es immer mal zu Verwechslungen beim technischen Tauchen: Wenn man auf 21m aus Versehen auf den reinen Sauerstoff wechselt statt auf EAN50, kann das schiefgehen. Man kann übrigens auch Glück haben und es passiert gar nichts. Auf gar keinen Fall aber fängt man gleich bei den ersten Atemzügen an zu krampfen – vielleicht ist der bestätigende Blick auf das Gas des Buddys nach dem Gaswechsel viel wichtiger als das zuschauen bei der Aktion. Aber das nur am Rande…

Unfälle mit Sauerstoffvergiftungen im ganz normalen Sporttauchbereich mit Nitrox, bei denen nicht wirklich ganz grob und über längere Zeit alle Grenzwerte überschritten wurden, kommen nicht mehr vor. Solange man weiß, was genau in der Flasche ist, und sich an die 1,4 bar pO2 hält, muss man sich wirklich kein Sorgen machen. So gar nicht.

OxTox-Panik: Das größte Risiko?

Trotzdem ist die Angst vor einer Sauerstoffvergiftung groß und weit verbreitet. Wer von euch hat es schon mal gehört – dieser Guide, der stolz erzählt, dass er tiefer als soundso nicht mehr hinterher geht, weil er ja Nitrox hat und dann sicher vergiftet würde?
Wer wurde schon mal gefragt, ob man jetzt lieber zwei Tage aussetzen sollte, weil am Computer kurz mal MOD geblinkt hat?

Abgesehen von dem absolut unverantwortlichen Verhalten eines Guides, ist es einfach nicht zuträglich für einen entspannten Tauchgang, wenn man permanent Angst hat. Aus Angst kann bei dem kleinsten Problem Panik werden – und die ist unter Wasser WIRKLICH gefährlich. Vor was sollten wir also wirklich Angst haben, und wovor eher nicht?

Wir haben gesehen, dass man unter einem pO2 von 2 bar selten Probleme bekommt. Selten ist uns nicht genug, weil man die Probleme zwar an Land normalerweise überlebt – aber unter Wasser eher nicht. Um von selten auf nie zu kommen, ist es sinnvoll, die Grenze bei 1,4 bar pO2 zu setzen.
Das bedeutet: Auch bei einem pO2 von 2 bar ist nicht damit zu rechnen, dass jemand im nächsten Moment krampft. Aber ja: Ab da kann das schon passieren.

Unsere Grenzwerte sind so gewählt, dass wir noch ein paar Meter Spielraum haben. Die sind aber genau für eins da: Notfälle. Sie sind NICHT Teil unserer Tauchgangsplanung.

Ich plane meine Tauchgänge mit einem pO2 von 1,4 bar an der tiefsten Stelle OC, 1,3 bar pO2 CC (dort ist man diesem pO2 länger ausgesetzt). Für die Deko, in schon moderaten bis flachen Tiefen, gehe ich dann auf 1,6 bar pO2 – für eine begrenzte Zeit.

Aber das mit der Panik – es ist wirklich wichtig zu wissen, dass die Grenzen nicht starr sind. Man erleidet keine Vergiftung bei einer bestimmten Dosis. Wenn es also einen wichtigen Grund gibt, die Grenze für eine kurze Zeit zu überschreiten, dann kann man das tun. Natürlich kann man dem Buddy helfen, wenn man dafür einen pO2 von 1,7 für 2-3 Minuten in Kauf nehmen muss, bis man gemeinsam aufsteigt.

Wo genau man die Grenze setzt, ist schwer zu sagen – aber wenn wir auf 1,4 bar pO2 planen, haben wir immer einen Spielraum.

Kurz mal einen sehr hohen pO2 erleben geht so gut wie immer gut. Erst eine längere Einwirkzeit macht Probleme. Wenn man einen zu hohen pO2 hatte, sollte man in danach verringern, also ein wenig aufsteigen (oder am CCR den Setpoint ändern)

Aber das Wichtigste dabei: DON’T PANIC!

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